Auch wenn das 750-jähre Jubiläum der urkundlichen Ersterwähnung von Vollnkirchen erst in 2 Jahren ansteht, hat der kleinste Hüttenberger Ortsteil schon mit den Vorbereitungen begonnen und die ersten Feierlichkeiten absolviert.
Urkundliche Ersterwähnung HHStaW Abt. 85 Nr. U10
Grundlage für das Jubiläum ist eine Urkunde vom 12.9.1276 des Klosters Seligenstatt (HHStaW Abt. 85 Nr. U10). Das Dorf „Volkinkirgin“ hatte 2 Malter Getreide als jährliche Abgaben an das Kloster zu liefern. Bei dem Kloster Seligenstatt handelt es sich nicht um die berühmte Abtei in Seligenstadt am Main, sondern um ein ehemaliges Benediktinerinnenkloster bei Seck im Westerwald, von dem heute nur noch die Grundmauern erhalten sind.
Möglicherweise ist der Ort sogar noch etwas älter. Der mündlichen Überlieferung zufolge soll sich um das Jahr 1000 in dem Wiesental am Nordrand des Taunus ein Bauer namens Fol(l)enius mit seiner Familie und Gesinde niedergelassen und die ersten Häuser erbaut haben. Nachdem die Siedlung um weitere Häuser angewachsen war, errichtete der Bauer auch eine Kirche und das Dorf wurde nach seinem Gründer „Fol(l)eniuskirchen“ genannt. Aus Foleniuskirchen wurde Follenkirchen und später Vollnkirchen. Die Legende um den Bauer Folenius geht auf einen Eintrag in dem 1836 erschienenen Buch „Der Kreis Wetzlar-historisch, statistisch, topographisch“ von Friedrich Kilian Abicht zurück, der auf ein Wetzlarer Dekanatsverzeichnis aus dem 10. Jahrhundert verweist in dem der Ort Follenkirchen erwähnt wird und zitiert dazu ein Buch von F. W. Freiherr von Ulmenstein aus dem Jahr 1802. Näheres zur Gründungszeit oder seinem Gründer ist aber auch dort nicht zu finden. Einen weiteren Hinweis auf eine frühere Gründungszeit gibt der Taufstein der alten Dorfkirche, die aufgrund seiner für die Stauferzeit typischen Ornamente vom damaligen Denkmalpfleger Walter Ebertz auf die Jahre 1170 bis 1180 datiert wurde. Als ältester urkundlicher Beleg bleibt aber die Urkunde des Klosters Seligenstatt aus dem Jahre 1276.
Im Mai 2022 wurde bei einer öffentlichen Ortsbeiratssitzung der entschluss gefasst das Jubiläum zu feiern. Für die Planung, Organisation und Durchführung von Veranstaltungen im Festjahr und davor haben Vertreter der fünf ansässigen Ortsvereine, Förderverein Handball Vollnkirchen e.V., Freiwillige Feuerwehr Vollnkirchen e.V., Landschaftsfreunde Vollnkirchen e.V., Tennisfreunde Vollnkirchen e.V. und dem TUS 1965 Vollnkirchen e.V. eine Vereinsgemeinschaft ins Leben gerufen. Diese hat im Frühjahr dieses Jahres ihre Arbeit aufgenommen und im Rahmen einer Auftaktveranstaltung die Bürgerinnen und Bürger über die geplanten Events informiert. Vorausgegangen war eine Infoveranstaltung, bei der die „Heckebeck“, wie die Einwohner Vollnkirchens scherzhaft bezeichnet werden, Ideen einbringen konnten. So sind zahlreiche Veranstaltungen zusammengekommen, die in den nächsten zwei Jahren stattfinden sollen. Erste Projektgruppen wurden gebildet um die Planungen mit Leben zu füllen. Höhepunkt wird ein Tag der offenen Höfe am Wochenende 12./13.September 2026 sein, bei dem das Leben im „Heckendorf“ früher und heute präsentiert wird.
„Hecke“ ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Niederwald, einer historischen Form der Eichen-Waldwirtschaft. Rund um Vollnkirchen gibt es sehr viele dieser Wälder in denen früher Eichenlohe geschält und an Gerbereien nach Wetzlar oder Brandoberndorf verkauft wurden. Da die Bäume nach dem Schälen der Rinde geschlagen („auf den Stock gesetzt“) wurden und aus den Stockausschlägen neu austrieben, wuchsen sie bis zur nächsten Ernte der Rinde nur zu strauchartigen Bäumen mit geringer Höhe heran, vergleichbar mit einer Hecke.
Den Auftakt des Veranstaltungsreigens aber machte ein Dorffest Ende Juni, bei dem selbst gebrautes Bier ausgeschenkt wurde. Nun mag man sich fragen was Vollnkirchen mit Bier zu tun hat? man würde den Hüttenberger Ortsteil vielleicht eher mit Handkäse oder Apfelwein in Verbindung bringen. Auch hierfür konnten die Organisatoren einen historischen Beleg finden.
In einer kürzlich wiederentdeckten Dorfchronik fand sich ein Eintrag aus dem Jahr 1751. Dort ist vermerkt, dass die Gemeinde Vollnkirchen ein steinernes Brauhaus errichtet hat, in dem die Bewohner einfaches Bier selbst brauen konnten. Wie lange Bier gebraut wurde weiß man nicht, das Brauhaus selbst hatte noch bis etwa 1875 bestand, wurde zuletzt aber als Lagerraum für das Brennholz des Dorfschullehrers verwendet und im Zuge eines Neubaus der Schulscheune abgerissen.
Auszug aus der Ortschronik Vollnkirchen, Archiv der Gemeinde Hüttenberg, Akte 312
Diese über 120- jährige Brautradition wurde im April diesen Jahres wieder aufgegriffen und von Mitgliedern der Vereinsgemeinschaft im Brauhaus Obermühle Braunfels ein Festbier gebraut, welches am Dorffest unter dem Namen „1276 – das Bier aus der Hecke“ ausgeschenkt wurde und dank seines süffigen Charakters großen Zuspruch fand.
Für das kommende Jahr ist eine Freiluft-Theateraufführung der „Hexe vom Grauen Stein“ geplant. Das Stück basiert auf dem 1955 erschienenen Roman des Oberkleener Heimatdichters Wilhelm Reuter und spielt in den mittelalterlichen Dörfern und heutigen Wüstungen Gebertshausen (bei Oberkleen) und Wertshausen (bei Vollnkirchen). Eine Laienschauspielgruppe hat sich bereits formiert, die Aufführung ist für den 31. August 2025 vorgesehen.
Weitere geplante Veranstaltungen sind: ein Osterfeuer (20. April 2025), Erntefest mit Getreideernte „wei froier“ und Einsatz einer historischen Dreschmaschine sowie Traktortreffen (September 2025), Baumpatenschaften und Pflanzung von 750 Bäumen (Herbst 2025), historischer Grenzgang und Einweihung des Kultu(o)rpfades Vollnkirchen (April 2026).
Vereinsgemeinschaft 750 Jahre Vollnkirchen
35625 Hüttenberg
c/o Jürgen Friedrich Tel.: 06447/6241
E-Mail: info@heckebeck-vollnkirchen.de